Welches Lastenrad ist das Beste für mich?
Erläuterung der vier typischen Lastenradtypen.
Unser zweiter Blogeintrag soll euch bei den Grundlagen rund ums Lastenrad helfen. Die Entwicklungen schreiten voran und können einem schnell die Übersicht nehmen. Deshalb stellen wir die vier Grundtypen der Lastenräder vor und gehen auf Vor- und Nachteile der jeweiligen Bauarten kurz ein.
Grundsätzlich kann man zwischen zwei Arten von Lastenrädern unterscheiden: Einspurig und Mehrspurig. Einspurige Lastenräder kommen dem Alltagsfahrrad in ihren Fahreigenschaften am nächsten und bieten somit eine gewohnte Fahrdynamik. Dabei unterscheiden sich die beiden Typen durch die Platzierung der Ladefläche. Bei den mehrspurigen Fahrzeugen gibt es zum einen Trikes, die vor allem beliebt sind bei Familien mit mehr als zwei Kindern. Die Schwerlastkategorie umfasst bei unsere Aufzählung mehrspurige Fahrzeuge mit bis zu vier Rädern und 500kg Systemgewicht. Diese Lastenräder sind hauptsächlich für gewerbliche Einsätze konzipiert.
Long Tail: Einspuriges Fahrrad mit Landefläche hinten
Kindertransport
Dieser gestaltet sich traditionell. Durch die Ladefläche hinter dem Fahrer wird auf bekannte Sitzlösungen zurückgegriffen. Spezialisierte Hersteller bieten Regenschutzlösungen an, aber im Kern ist der Transport von Kindern, wie bei einem alltäglichen Fahrrad. Der einzige Unterschied ist, dass bei einigen Modellen durch den längeren Gepäckträger zwei Fahrgäste mitgenommen werden können.
Fahrdynamik
Wie die vorangegangen Unterpunkte vermuten lassen, ist die Fahrdynamik sehr gut beherrschbar, da keine großen Umstellungen notwendig sind. Größte Unterschiede ergeben sich bei den Konzepten durch die gewählte Laufradgröße. Lastenräder mit kleinen Laufrädern. wie die genannten Tern Fahrräder sind sehr wendig und agil, verlieren aber etwas an Kurvenstabilität bei höheren Geschwindigkeiten. Wenn also größere Laufräder genutzt werden, verlängert sich der Radstand zusammen mit der Laufradgröße und sorgt für eine höhere Fahrstabilität bei höheren Geschwindigkeiten und Kurvenradien. Darunter leidet die Agilität und Rangiermöglichkeit.
Positiv
- Geringe Eingewöhnungsphase
- Natürliche und berechenbare Fahrdynamik
- Grundsätzlich kompakte Abmessungen
Negativ
- Kein Sichtkontakt zu Kindern und Transportgut
- Regenschutz für Passagiere oft schwierig in der Umsetzung
- Konzeptbedingt eingeschränkte Lademöglichkeit, besonders bei sperrigen Transportgütern
Beispiele
Fazit Long Tail
Simple, unauffällig und alltagstauchglich. Die simpelste Umsetzung eines Lastenrades profitiert von kurzen Eingewöhnungsphasen und intuitiver Handhabung. Wer nur etwas mehr Transportmöglichkeit benötigt, ohne gleich einen Mini-PKW in die Garage zu stellen, ist beim Long Tail genau richtig.
Long John: Einspuriges Fahrrad mit Ladefläche vor dem Lenker
Kindertransport
Ein neuer Trend ist das Fahrrad auf den Kindertransport durch EPP- Boxen, Querstreben und weitere Anpassungen zu spezialisieren. Diese Lastenräder wollen das Sicherheitsempfinden beim Kindertransport erhöhen. Grundsätzlich sind gerade die Volumenhersteller z.B.
Riese & Müller,
Cube und
Urban Arrow bei diesen Konzepten vertreten. Aber auch Startups wie
Cago versuchen hier neue Standards zu etablieren. Grundsätzlich reduziert sich dadurch die Flexibilität in der Nutzung des jeweiligen Lastenrades, da die Ladefläche in ihrer Nutzung vordefiniert wird. Auf der anderen Seite stehen die Hersteller, die durch offene Ladeflächenkonzepte eine individuelle Gestaltung ermöglichen. Dies bietet den Vorteil, auf verschiedene Lebensumstände angepasst werden kann z.B. Kindertransport, Einkäufe, Reisen oder Pendeln.
Fahrdynamik
Im Gegensatz dazu zeichnen sich die Räder von
Velo Lab,
Cargofactory oder in seiner extremen Form bei
GinkGo durch den Fokus auf eine leichte und damit fahraktive Konzeption aus. Dabei ist es spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die Lösungsansätze sind. Auf Details gehen wir in den Vorstellrunden ein.
Kompakt Long John
Ein weiterer sehr spannender Trend sind die Mini Long Johns. Diese zeichnen sich, vergleichbar mit den Kompakt Long Tails, durch eine kleine Gesamtgröße aus. Besonderheit bei diesen Rädern ist die hohe Flächeneffizienz. Auf einer Fläche so groß wie ein Alltagsrad, oder gar kleiner, werden Ladeflächen geschaffen die sogar Kinder aufnehmen können. Dabei sind
Muli Cycles und
Yoonit zwei deutsche Startups, die den Markt aufgemischt haben und momentan den Benchmark setzen.
Positiv
- Ladung immer in Sicht
- Gute Kommunikation und Regenschutzoptionen beim Kindertransport
- Große Ladeflächen möglich
- Hohe Fahrdynamik bzw. Fahrsicherheit
Negativ
- Eingewöhnungsphase beim Lenkverhalten durch Lenkumsetzung
- Fahrräder sind mitunter sehr lang und somit sperrig
- Unterschied beim Fahrverhalten mit und ohne Beladung durch Lastverteilung
Fazit Long John
Nicht ohne Grund die meistvertretenen Varianten beim Lastenrad. Berechenbare und spaßige Fahrdynamik bei guter Sicht auf die Kinder bzw. Transportgut. Nach kurzer Eingewöhnung bei der Lenkung steht dem Transportspaß nix im Wege. Dabei hat sich das Konzept spannend weiterentwickelt und bietet jetzt von kompakt bis riesig und gemütlich bis sportlich verschiedene Umsetzungen an.
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Radkutsche Rapid mit Familenwanne und Regenverdeck
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Trike: Dreirad mit zwei Rädern und großer Transportbox vor dem Lenker
Kindertransport
Die Paradedisziplin der Dreiräder. Durch den stabilen Stand, einfaches Ein- und Ausladen bzw. Ein- und Aussteigen. Zudem ist die gefühlte Sicherheit erhöht. Regenschutz ist bei den meisten Modellen sehr gut umgesetzt, sodass bei Schlechtwetter alles trocken bleibt. Durch die große Box, kann auch neben den Kindern noch Ausrüstung mitgenommen werden.
Fahrdynamik
Durch die zwei Vorderräder, reduziert sich in erster Linie die Kurvengeschwindigkeit deutlich. Durch den Wegfall Der Möglichkeit sich in Kurve legen zu können, verschiebt sich der Schwerpunkt bei der Kurvenfahrt nicht nach innen. Simple gesagt, die Kurvenfahrt erfolgt muss mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit durchgeführt werden, sonst droht Kippgefahr durch das Abheben des kurveninnen Rades! Dem kann mit einer Neigetechnik entgegengewirkt werden. Bei Fahrrädern mit Neigetechnik können sich die Box und die Räder neigen und somit sich dem einspurigen Lenkverhalten annähern. Trotzdem bleiben Dynamik und Wendekreis hinter dem einspurigen Fahrverhalten hinterher, was auch oft dem hohen Fahrzeuggewicht geschuldet ist.
Positiv
- Viel Platz durch große Boxen
- Stabiler Stand, durch die mehrspurige Vorderachse
- Kinder und Transportgut im Sichtfeld
Negativ
- Geringe Kurvengeschwindigkeit, ohne Neigetechnik Kippgefahr bei erhöhter Kurvengeschwindigkeit
- Fahrverhalten ist speziell und gewöhnungsbedürftig
- Budgetklassen mit schwacher sicherheitsrelevanter Ausstattung
- Ohne Motor nur im flachen Umland fahrbar
Beispiele
Fazit Trike
Die meisten Vertreter dieser Kategorie sind ruhige Gleiter. Dabei wird ein großer Wert auf viel Platz und Standstabilität gesetzt. Dem steht eine schwache Fahrdynamik entgegen. Ein Trike passt zu jedem, der gemütlich im Flachland viel Ladung von A nach B transportieren möchte. Wer es dynamischer wünscht, sollte sich Trikes mit Neigetechnik anschauen.
Schwerlast: Groß, schwer und leistungsstark für den Gewerbeeinsatz
Verwendungszweck
Diese Klasse versucht den innerstädtischen Verkehr nachhaltig und flächengerecht zu gestalten. Dabei sollen bis zu 30% aller Transporte bis 2030 mit dem Lastenrad absolviert werden. Deshalb ist in diesem Themengebiet viel Bewegung. Neben KEP- Dienstleistern (DHL und Co.) versuchen sich auch Einzelhändler mit dieser Fahrzeuggattung. Zudem wird bei Städten z.B. bei der Stadtreinigung versucht Lastenräder zu integrieren.
Positiv
- Große Ladevolumen und Traglasten
- Simple, standfeste Technik aus dem Kraftradbereich wird vermehrt genutzt
- Nachhaltiger Transport im Vergleich zu Kleintransportern (egal ob Verbrenner oder elektrisch)
Negativ
- Vermischung von Fahrrad und Kraftrad bzw. Automobiltechnik
- Große Abmessungen im Vergleich zum Alltagsrad
- Radinfrastruktur ist den "Brummis" noch nicht gewachsen
Beispiele
Fazit Schwerlast
Die Schwerlastenräder entwickeln sich aktuell rasant. Forderungen nach mehr Leistungen (1000w Nennleistung) seitens des RLVD und Branchenteilnehmern lassen aber die Frage aufkommen, ob es sich hier noch um ein Fahrrad handelt. Grundsätzlich ist die Entwicklung positiv zu bewerten, da sich der Markt immer besser für die nachhaltige Transportwende aufstellt. Die Variantenvielfalt ist riesig. Ob von drei bis vier Räder, ob eine oder zwei Europaletten alles scheint technisch möglich. Es wird spannend zu beobachten sein welche Modelle, Konzepte und standardisierte Transportbehälter sich durchsetzen. Jedoch wird der Flächenkonflikt auf dem Radweg rasant zunehmen, solange die Infrastruktur nicht schnell mitwächst was der generellen Verkehrswende schaden besonderes in Großstätten schaden könnte.
Zusammenfassung
Welches Lastenrad ist nun das Beste für dich? Das kommt auf deinen Bedarf an. Willst du ein unauffälliges Fahrrad mit erhöhter Ladekapazität? Wenn du keine Sicht auf dein Transportgut benötigst, dann könnte ein Long Tail genau deins sein. Du willst mehr transportieren und z.B. Sichtkontakt zu deinen Kindern haben, dann kommen Long Johns und Trikes in Frage. Für deine Transporte brauchst du einen Minitransporter? Dann könnte dir ein Schwerlastenrad oder Lastenanhänger bei der Arbeit helfen.
Ich hoffe dir eine gute Übersicht über die typischen Vertreter unter den Lastenrädern gegeben zu haben. Wenn du dich mit einem der Lastenradtypen vertieft beschäftigen möchtest, folge dem Blog. Wir werden detaillierte Beiträge zu den genannten vier Typen veröffentlichen. Gerne kannst du dir ein Lastenrad bei uns für den Alltagstest ausleihen. Denn wie heißt es so schön: Probieren geht über Studieren.
P.S. Wir haben in diesem Beitrag nur einen kleinen Ausschnitt aller verfügbarer Modelle genannt. Eine sehr gute Auflistung bietet das Cargobike Forum
Wiki.