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Das MUSKETIER von Radkutsche ist für mich ein "schwieriger Fall". Wer sich mit mir im Detail über Citylogistik und urbane Mobilität austauscht weiß, dass ich kein großer Fan von Schwerlastenrädern bin. Warum ich dennoch der Meinung bin, dass das Musketier der wohl beste Kompromiss aus einem Lastenrad und "Bulli" ist, schildere ich euch hier detailliert.
Radkutsche | MUSKETIER |
---|---|
Ladefläche | variabel |
Maße | ca. 270 x 100 cm |
max. zul. Gesamtgewicht | 300 kg |
Eigengewicht | ca. 74 kg (mit Motor) |
Laufradgröße | 24 Zoll |
Rahmen | Stahlrohr, handgeschweißt |
Made in Germany | Nehren/ Tübingen |
Preis | ab EUR 4619 ,- inkl. MwSt. |
Förderung | BAFA (für Gewerbetreibende) |
Das MUSKETIER ist eines der ersten erfolgreichen Schwerlastenräder am Markt. Gefertigt in Nehren bei Tübingen, sind sowohl Rahmenbau, Firmensitz und viele Anbauteile aus deutscher Produktion. Dies begründet sich im gesamtheitlichen Anspruch vom Gründer Stefan Rickmeyer: „Ich setze mich für ökologische Mobilität ein, die Spaß macht und glaube, dass viele kleine Schritte die Welt verbessern können.“
Was genau ist also das MUSKETIER? Ein Schwerlastenrad, welches primär für den gewerblichen Einsatz entwickelt wurde. Ob Biokisten, Pakete oder Baumaterial. Grundsätzlich kann man dieses Rad für alle erdenklichen Gewerbeaufgaben einsetzen. Drei Räder und ein stabiler Rahmen ermöglichen ein zulässiges Gesamtgewicht von 300 kg (inkl. Fahrer). Somit ist es weder zu breit (ca. 100 cm) noch zu lang (ca. 240 cm). Mit diesen Abmessungen passt es auch noch auf (die meisten) Radwege.
Wie fährt sich ein solches Transportrad? Definitiv nicht wie ein Fahrrad. Auch wenn es als Pedelec eingestuft wird, sind die Fahreigenschaften durch die drei Räder und somit mit feststehender Ebene im ersten Schritt gewöhnungsbedürftig. Was nicht heißen soll, dass es schwer oder gar unfahrbar ist. Es ist aber auf den ersten Metern ein neues und zu lernendes Fahrgewühl. Zudem kommen alle Eigenschaften zum Tragen, die ein Dreirad mit sich bringt: Reduzierte Kurvengeschwindigkeit, erhöhte Breite und der Wegfall vom Ausbalancieren des Fahrrades. Der letzte Punkt klingt sehr positiv, ist für die meisten aber genau der Punkt, der am meisten Gewöhnung benötigt, insbesondere wenn die Straße einseitig geneigt ist.
Wenn diese Fahrzeugspezifischen Eigenschaften verstanden und gelernt sind, fährt sich das Musketier sehr souverän und vertrauenserweckend. Die Sitzposition ist aufrecht und bequem, der breite Lenker gibt einem ein Gefühl von Kontrolle. Der Frontnabenmotor leistet unauffällig seine Arbeit im Vorderrad. Auch hier benötigt es eine kurze Eingewöhnungsphase um das Zusammenspiel aus Mensch und Maschine abgestimmt zu bekommen. Dies liegt vor allem daran, dass der Motor nur nur die Trittgeschwindkeit misst und nicht, wie viele Mittelmotoren, den Pedaldruck mit einkalkuliert und somit feiner regelt. Sonst hält sich der Antrieb angenehm zurück und durch die Montage am Vorderrad ist der Verschleiß vom Antrieb wie bei einem normalen Bio-Fahrrad.
Ein wichtiges Thema, das leider nie 100 % richtig erklärt bzw. beantwortet werden kann. Das liegt - insbesondere bei Transporträder - sehr stark an dem Verwendungszweck bzw. dem Transportvolumen im Zusammenspiel mit der Geografie/Topografie. Die Verbrachsunterschiede driften beim Auto weniger auseinander, da oft weniger zugeladen wird als das Fahrzeug selbst schwer ist. Bei einem Schwerlastenrad ist das umgekehrt. Dies bedeutet, dass wenn man die Zuladung voll ausnutzt, der Verbrauch auffälliger ansteigt. Mit der aktuellen Akkugeneration ist eine Reichweite von 35 - 50 km im Arbeitsalltag möglich. In 2023 wird ein deutlich größerer Akku als Option eingeführt, der dann bis zu 75 km realistischer Alltagsreichweite ermöglichen wird.
Radkutsche's MUSKETIER ist ein "Arbeitstier" mit vielfältigen Arten von Lastenträgern. Ob geschlossene Box, Plane-Aufbau, große Ladefläche, Sitzbänke, Kühltruhen oder eigener Aufbau. Das MUSKETIER kann von Abfall- bis Personentransport für alle Einsatzwecke ausgestattet werden. Neben dem variablen Aufbau, ähnlich eines herkömmlichen Kleintransporters, zeichnet das Schwerlastenrad die simple Konstruktion aus. Diese ermöglicht es, jeder normalen Fahrradwerkstatt - oder einem selbst - an dem Rad Reparaturen vorzunehmen. Im Zusammenspiel mit dem, im Verhältnis zu anderen Rädern dieser Kategorie, niedrigen Eigengewicht von um die 70 kg, ist es mit leichteste und simpelste (im positiven Sinne) Vertreter unter den Schwerlastenrädern.
Wie Anfangs erwähnt, bin ich bei Schwerlastenrädern oft kritisch. Das liegt zum Großteil an der aktuellen Marktentwicklung. Schwerlastenräder werden zum einen immer schwerer (Eigengewicht 150 kg +) und dürfen in dem Zuge zusätzlich immer mehr zuladen (bis zu 800 kg) möglich. Offiziell dürfen solche Geschosse immer noch auf Radwegen oder, deutlich schlimmer, gemeinschaftlichen Fuß-Gehwegen fahren. Für mich ist spätestens ab 500 kg eine Grenze überschritten, die nicht mehr verantwortungsbewusst auf die deutsche Fahrradinfrastruktur losgelassen werden kann. Entweder müssen zeitnah radikale Schritte im Ausbau der Infrastruktur erfolgen oder wir gefährden, aus meiner Sicht, die Verkehrswende des privaten Sektors. Immerhin sind grob 70 % der innenstätischen Fahrten aus privatem Anlass. Deshalb ist das MUSKETIER mit der beste Kompromiss. Das Zusammenspiel aus 300 kg Gesamtgewicht und kompakten Abmessungen ermöglichen an vielen Stellen eine sichere Nutzung der vorhanden Radinfrastruktur ohne Fußgänger oder andere Radfahrer einzuschränken. Der zweite Kritikpunkt ist die hohen Komplexität und das Mischen von Fahrrad-, Motorrad- und Autoteilen. Viele Modelle sind nur in Großstädten reparierbar, da in anderen Regionen kein Service möglich ist. Hier bin ich gespannt, wann der Markt sich dieser Probleme annimmt.
Plus- und Minuspunkte, die ich vergebe:
+ | - |
---|---|
Preis/Leistung | Fahreigenschaften gewöhnungsbedürftig |
niedriges Eigengewicht (seiner Klasse) | Reichweite (größerer Akku im Zulauf) |
einfache Fahrradtechnik | |
hohe Zuladung | |
Produktion in Deutschland |
Das Radkutsche MUSKETIER ist ein solides und auf das Wesentliche reduzierte Transportrad. Man reißt mit dem Musketier keine Bäume aus, aber es kann sehr viele Aufgaben im Radius von 20 km übernehmen und ist eine kosteneffiziente, platzsparende, leise und mitweltfreundliche Alternative zum Kleintransporter. Keine Versicherungskosten, keine Steuern und attraktive Fördermöglichkeiten (bis zu 40 % in NRW) sprechen für dieses Schwerlastenrad in der eigenen Betriebsflotte. Oder nicht?
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